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Gespräche



 21.08.2024 - Das Gespräch mit Gunna Wendt 



Autorin Gunna Wendt

Gunna Wendt ist Schriftstellerin und lebt in München. Neben ihren vielen Arbeiten für Theater und Rundfunk veröffentlichte sie Kurzgeschichten, Gedichte, Essays und zahlreiche Biografien. 2017 wurde sie mit dem Schwabinger Kunstpreis ausgezeichnet. Ihr letztes Buch hieß: „Die Freude meines Lebens. Geschichten von berühmten Müttern und Töchtern“, im Reclam Verlag.
Jetzt ist von Gunna Wendt ein fiktiver Roman über Leben und Sehnsucht der Hauptfigur Lili Marleen aus dem Lied „Bei der Laterne woll’n wir stehen, wie einst Lili Marleen“ im Penguin Verlag erschienen.


Frau Wendt, wir hatten vor ein paar Jahren ein schönes Gespräch über Ihre Bücher, als Sie die Biographie über Liesl Karlstadt herausbrachten. Damals war meine erste Frage: Frau Wendt, Sie haben den Ruf einer Expertin für komplexe Biografien. Den bestätigen Sie auch in ihrem neuesten Buch „Bei der Laterne woll’n wir stehen“. Die Protagonistin Lili schreibt, am Ende des Buches, in betagten Jahren Briefe an den wiedergefundenen Freund Cord: da habe ich tatsächlich Gänsehaut bekommen. Wie oft hören Sie sich das Lied von Lili Marleen an?
Das Lied „Lili Marleen“ war ja mein Ausgangspunkt. Ich hatte mich immer über die Präsenz des Liedes gewundert, die nie verloren gegangen ist. Komischerweise hatte ich auch hin und wieder Begegnungen mit diesem Lied, ob es ein Straßenmusiker war, oder jemand der das Lied summte, da ist die Idee zu dieser Figur entstanden, die es aber nicht gegeben hat. Es gab keine Lili Marleen. Eine Figur zu erfinden, die in der damaligen Zeit gelebt hat und die Lili Marleen hätte sein können, fand ich spannend.

Also, das jetzige Buch ist eine Geschichte, die mit dem berühmten Lied von damals, gesungen von Lale Andersen, nur indirekt zu tun hat. Es ist die Geschichte von Liliane. Ihr Freund Cord meldet sich 1914 zum Militär, und sie will nicht auf ihn warten. Die beiden verlieren sich aus den Augen, trotzdem hat sie lebenslang Sehnsucht nach ihm. Lilianes Leben als Sängerin bringt sie von Hamburg nach München. Frau Wendt, wie warm wurde Ihnen ums Herz, als Sie die Lokalitäten der Künstlerszene der 1920er/1930er Jahre recherchierten und, soweit sie noch da sind, besucht haben?

Leider sind kaum noch welche da, es gibt wenige Spuren von der Boheme-Szene damals. Aber hier in München gibt es noch den „Alten Simpl“, die Künstlerkneipe mit dem Mops in der Türkenstraße. Da wird es mir tatsächlich warm ums Herz, wenn ich dort hingehe. Einmal versuchte ich alle Wohnungen aufzusuchen, in denen Franziska von Reventlow wohnte, über die ich auch eine Biografie geschrieben habe und die auch in meinem Roman vorkommt, aber sie war so oft umgezogen, dass ich es an einem Tag nicht geschafft hatte, alle aufzuspüren.

Liliane lebt Anfang des 20. Jahrhunderts, lernt Autoren und Künstler kennen. Namen wie Erika Mann, Therese Giehse sind für uns keine unbekannten, doch wer liest heute Gedichte von Richard Dehmel oder Hans Leip? Kennen Sie welche?
In Norddeutschland ist Hans Leip eher bekannt, er hat den Gedichtband „Die Hafenorgel“ ‘rausgebracht. Richard Dehmel stand eine Zeitlang in jedem Schulbuch und war zu seiner Zeit eine Kultfigur. Erschreckt hat mich aber, dass Richard Dehmel begeisternd für den Kriegsdienst aufgerufen hatte.

„Bei der Laterne woll’n wir stehen“ ist ein bewegendes Buch. Liebe, Sehnsucht, Veränderung der Gesellschaft. Schleicht sich da ein ungutes Gefühl ein, dass sich Geschichte wiederholen könnte, und zwar die Negativseiten?

Ich würde es so nicht sagen, dass sich Geschichte wiederholt, aber es ist schon erschreckend, wenn man bei der Recherche, zwar über eine ganz andere Zeit, doch plötzlich so viele Parallelen sieht. Bei den Aufzeichnungen kommt da schon der eine oder andere Gedanke auf, dass sich das auch auf heute beziehen könnte. Kriegsbereitschaft, Kriegstüchtigkeit, ich weiß nicht, ob sich Geschichte wiederholt, doch befürchte ich, wir Menschen haben aus der Geschichte nichts gelernt.

Hm, oder die PolitikerInnen?


Einst hatten Sie zusammen mit der Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger ein Buch geschrieben. Planen Sie weitere Bücher zusammen mit Politikerinnen?

Wenn sich wieder ein Thema ergeben würde, das brisant ist, und wenn ich glaube, ich kann ‘was dazu beitragen, dann würde ich es wieder machen.

Sie haben viele Bücher geschrieben, alle haben Frauen zum Schwerpunkt. Das muss für Sie wichtig sein, oder?
Es war nicht mein Programm, nur über Frauen zu schreiben, aber ich wollte über Personen schreiben, bei denen ich der Meinung war: da gibt‘s noch nichts, oder bei dem, ‘was da war, fehlt was. Also eine andere Sicht auf das betreffende Leben und Werk. Ruth Klüger hat zu meinem Buch über die Freundschaft von Clara Rilke-Westhoff und Paula Modersohn-Becker geschrieben: "Das eigentlich Neue und Fesselnde ist der weibliche Blick auf weibliches Leben und weiblichen Ehrgeiz."

Wie ist Ihr Arbeitsalltag organisiert, können Sie in einem durcharbeiten?

Ich bin eine Frühaufsteherin und arbeite möglichst bis mittags, da schaffe ich sehr viel, wenn ich an einem Stück dranbleibe, und am Morgen gibt es noch wenige Ablenkungen. (Schmunzeln)

Ist für Sie aus der Pandemie irgendwas Positives zurückgeblieben?

Die Pandemie war natürlich schwierig, da es keine Lesungen oder Veranstaltungen gab. Für mein Schreiben selbst hat mich die Pandemie weder negativ noch positiv beeinflusst.

Für uns LeserInnen ist es egal, in welchem Verlag ein Buch veröffentlich wird, aber als Autorin hat man Wünsche?
Penguin ist ein toller Verlag, ich bin sehr mit dem Verlag zufrieden. Ich kann mich auch nicht über die anderen Verlage beklagen, in denen meine vorherigen Bücher erschienen sind - im Gegenteil. Für mich ist es wichtig, dass eine Wertschätzung da ist und das Buch gut präsentiert wird.

Wann wird das Schreiben für Sie anstrengend?
Das Schreiben ist eigentlich immer anstrengend, allerdings wenn man im „Flow“ ist, merkt man das nicht.

Frau Wendt, wie geht es weiter? Die Monacensia hat die „Literatur am Telefon“ wieder aufleben lassen. Sie machen da mit, was tragen Sie bei?

Ich war von 1992 bis 2002 Redakteurin des Münchner Literaturtelefons. Ich habe die Autoren ausgesucht, und im Gasteig mit einem Tonmeister die Tonaufnahmen dazu produziert. Damals gab es noch bei der Telekom Telefon Ansagedienste -Wetter - Uhrzeit usw.- und so auch „Literatur am Telefon“. Wenn man dort anrief, konnte man 5 Minuten Literatur hören. Es sind sehr viele Aufnahmen entstanden. Die sind zum Glück erhalten geblieben und lagerten im Kulturreferat und sind nun im Archiv der Monacensia. Die Idee, das LiteraturTelefon im Literaturportal Bayern wieder zu beleben, war bald geboren, und gerne habe ich wieder die Redaktion übernommen. https://www.literaturportal-bayern.de/hoerfunken

Und noch eine Frage: Bei welchem Ereignis im Leben von Liliane wären Sie gerne dabei gewesen?

Also, ich wäre schon gerne am Anfang in Paris mit dabei gewesen, als alles noch so unbeschwert war, aber auch bei ihren Auftritten im „Alten Simpl“.

Frau Wendt, in Wikipedia und auf Ihrer Webseite kann man viel mehr über Sie erfahren, denn das hier ist nur ein kleiner Ausschnitt aus Ihrem Tun. Bald kommen neue Bücher von Ihnen heraus, und das wird wieder spannend.
Vielen Dank für das Gespräch.


©Steffi.M.Black 2024 (Text)
©Dirk Schiff (Bild)