Newsletter

Journal
Der Nahost-Konflikt aus Sicht derer, die ihn erleben
mehr lesen
...

Erich Kästner u. Walter Trier
mehr lesen
...

Zukunft denken
mehr lesen
...

Kafka
mehr lesen
...

Die Volljährigkeit naht, und dann?
mehr lesen
...

Weihnachtszeit
mehr lesen
...

Der Mann, der alles erfand - nur nicht sich selbst.
mehr lesen
...

Auch die Nacht hat eine Farbe
mehr lesen
...

Bekenntnisse eines Außerirdischen
mehr lesen
...

Das Gespräch mit Anne Freytag
mehr lesen
...

Sie sind hier: Gespräche#504

Gespräche



 19.04.2021 - Das Gespräch mit Marianne Ach 



Schriftstellerin Marianne Ach

Marianne Ach schreibt Erzählungen und Romane und widmet sich seit ihrer Pensionierung als Realschullehrerin ganz der Schriftstellerei. Als Autorin macht sie auf ihren Lesereisen viele Erfahrungen.
Sie lebt in München. Auch ihr neuester Roman „Der Atem deines Landes“ ist im Lichtung Verlag erschienen, wie auch drei andere Bücher. Am 29. April 2021 liest sie persönlich im Literahaus München. Die Veranstaltung wird online übertragen.

Entaksi? Frau Ach, das ist eine Redensart aus Ihrem Buch „Der Atem deines Landes“. Diese Redensart kennen alle Griechenland-Freunde, „Alles in Ordnung?“, aber zu Zeiten der Corona-Pandemie kommt sie ins Wanken.
Beim Lesen Ihres schönen Buches „Der Atem deines Landes“ musste ich tief Luft holen und ich weiß, wie gerne man ihn – den Atem - gerade in dieser Corona-Zeit spüren möchte, wenn das Reisen doch nur leichter wäre.
Ihr neuester Roman ist die Geschichte einer deutsch-griechischen Liebe. Sehr poetisch, feinfühlig geschrieben und mit Sympathie für den griechischen Ehemann Spiros. Auch seine deutsche Frau Irene wird von allen gemocht. Frau Ach, was lag Ihnen daran, zwei Nationen zusammen zu bringen?

Ich kenne mehrere Ehepaare mit zwei Nationen und habe gemerkt, dass es da von Natur aus Probleme gibt. Durch Sprache, Traditionen, Gebräuche und Herkunftsland fangen Beziehungen schon mit einer Problematik an, die man in einer deutsch/deutschen oder griechisch/griechischen Beziehung nicht finden würde. Ich mag in meinen Büchern gerne diese Art der Beziehung darstellen. Ich bin häufig in Griechenland, kenne sehr viele Leute dort und habe dort auch Freunde. Ich lernte die griechische Sprache und höre den Menschen gerne zu.

Sie sagen, oder besser, Sie schreiben, dass alte Geschichten, die man gerne erzählt, in der Gegenwart bleiben. Halten Sie daran fest?

Ja, denn das Vergangene hört ja nicht auf. Vergangenheit ist bei jedem Menschen ein Teil seines Lebens. Es ist generell so, dass jeder Mensch Vergangenheit mit sich trägt, als Teil der Gegenwart und der Zukunft. Das kann man nicht auslöschen.

Das Buch weckt Sehnsüchte nach Weite, und in den Zeilen stecken poetische Bilder. Ihr eindrucksvoller Schreibstil ist sehr packend. Griechenland ist immer schon ein Ort der Bildersprache gewesen. Wäre diese Geschichte zwischen Mann und Frau, wenn beide, sagen wir mal, aus den bayerischen Bergen und von der rauen Ostsee kommen würden, wäre die Geschichte dann auch so intensiv geworden?
Das glaube ich nicht. Bayern ist für mich kein Ort des Geschehens. Das ist der Reiz des Fremden, der da mitspielt. Beide Protagonisten erleben den Fremdenanteil des anderen.

Es gibt weitere eindrucksvolle Bücher von Ihnen. Eins davon ist: „Dieses schmale Stück Himmel über Paris“. Da zitieren Sie die Schriftstellerin Marguerite Duras und ihre Erfahrung: „Jedes Buch hat, wie jeder Schriftsteller, eine schwierige, nicht zu umgehende Stelle“. Trifft das auch auf Sie zu und insbesondere auf dieses Buch?
Ja, vor allem in dem Kapitel Rückblende, in dem ich die manisch-depressive Veranlagung meines Mannes beschreibe. Dieses Buch ist ziemlich autobiographisch.

Sie sind tatsächlich zu dem Haus gereist, in dem Marguerite Duras lebte und ihre Bücher schrieb?
Das ist ja nur eine Zugstunde von Paris entfernt. Ich stand ehrfürchtig vor ihrem Haus, das leider sehr am Verfallen ist. An den Fenstern standen in Flaschen noch viele von ihr getrocknete Blumen, denn Marguerite Duras hatte nie eine Blume weggeworfen.

In Ihrem Buch ist es eine nicht alltägliche Liebesgeschichte. Der Freiheitsdrang und die Unruhe lassen die Protagonistin Hannah nach Paris flüchten, und durch oder mit ihren Erinnerungen entstehen neue Gedankengänge. Alles hat ein gutes Ende. Sie beschreiben die Geschehnisse in einer klaren, intensiven Sprache. Verkitsche Liebesgeschichten liegen ihnen nicht. Oder haben Sie es mal versucht?
Nein, nein, es liegt mir sehr fern, ausschweifende Liebesgeschichten zu erzählen, oder mich in kitschigen Gefühlen zu verausgaben. Ich komme aus der Oberpfalz, Nähe der tschechischen Grenze, da ist man sehr wortkarg, das war in meiner Familie so und auch in der näheren Umgebung. Das hat meinen Stil geprägt.

Es tut gut, mal die Berufseinstellung eines Museumswärters mitzubekommen, wie er die Besucher betrachtet. Zu lesen in Ihrem Buch „Dieses schmale Stück Himmel über Paris“. Haben Sie das beobachtet?
Ich war bei meinem letzten Parisaufenthalt in einem kleinen Museum, und es waren wenig Leute da, und ich fragte mich, was denkt der Mensch den ganzen Tag, wie geht er mit den Skulpturen um. Es gibt sehr sympathische Museumswärter, die ihren Job sehr ernst nehmen.

Man sagt immer, der erste Satz sei das wichtigste am Beginn eines Romans. Ist Ihnen das auch wichtig, wenn Sie anfangen zu schreiben?
Ja und nein, mir ist beides schon passiert, dass ich den ersten Satz überhaupt nicht gebrauchen konnte, oder dass ich gesagt habe, ja der Satz ist stimmig. Ich erinnere mich noch an meinen allerersten Satz der ersten Erzählung, als ich in Tirol im Wald nach Himbeeren gesucht habe, habe ich den Satz formuliert: „Als die Hitze in den Himbeersträuchern brütete, begann für mich der Sommer“.

Und an wen denken Sie, wenn Sie schreiben?

An die Person, die ich beschreibe, und wenn es um Natur geht, an die Natur.

Und wenn ein Buch fertiggeschrieben ist, wen wünschen Sie sich da als Leserschaft?
Ich wünsche mir viele Leser. Nicht wegen mir, sondern wegen des Buches. Ich habe junge Leser, die mir ein Feedback geben, und es gibt auch ältere Leser, die natürlich einen anderen Blick auf das Geschehen haben.

Sie haben viele Bücher geschrieben. Unter anderem „Am Horizont kein Zeichen“, das ist kein Roman, es sind Erzählungen von Liebenden und Familien, die von Sehnsüchten und Wünschen getrieben sind. Erwartungen an ein anderes Leben. Sie schreiben sehr distanziert, aber auch berührend über deren Gefühlsleben. Gibt es persönliche Empfindungen oder Erfahrungen, die Sie damit verbinden?

Sie meinen meine eigenen? Ich bin kein Mensch, der von der Sehnsucht lebt, ich lebe in der Gegenwart. Sehnsucht treibt in die Vergangenheit oder in die Zukunft.

In der Bayerischen Staatsbibliothek ist ein Buch mit Titel: „Tageslichtprojektoren im Religionsunterricht“ gelistet. Das ist von Ihnen. Worum handelt es sich dabei?

Ach, das ist uralt, das weiß ich selber nicht mehr. Das war eine Teamarbeit von uns Lehrern, das ist so weit weg, dass ich das vergessen habe.

Gibt es in Ihren Büchern autobiographische Züge, wie viel geben Sie davon preis?
Jedes Buch ist eine Mischung von Fiktion und Realität. Deshalb auch enthält jede Figur Wesenszüge von mir.

Welches von Ihren Büchern liegt Ihnen am meisten am Herzen?

Immer das letzte. Ich glaube, Marguerite Duras hat einmal gesagt, wenn ein Buch veröffentlich ist, gehört es nicht mehr dem Schriftsteller. Genauso geht es mir auch.
Lieblingsbuch? Einzelne Stellen, ja. Die lese ich immer wieder.

Wer ist denn „Der Blechsoldat“?

Das ist ein Symbol für den Vater, den es für die Protagonistin Margarete gar nicht gab. Eine kleine Figur aus Blech, ein Soldat, den Margarete als Ersatz für ihren abwesenden Vater nehmen wollte.

Welches Thema ist jetzt bei Ihnen angesagt? Wäre Corona ein Inhalt für einen Roman?
Nein, ich habe nie über Zeitaktuelles geschrieben. Was politisch oder gesellschaftlich nah ist, darüber schreibe ich nicht. Mich interessiert mehr das Einzelschicksal. Und die Pandemie ist ein allgemeingesellschaftliches Problem.

Am 29.April 2021 haben Sie im Literaturhaus eine Lesung. Und schon wieder gibt es durch die Pandemie Einschränkungen, die Präsenzlesung findet ohne Zuschauer statt, sie wird online übertragen. Welches Thema steht an diesem Abend an?
Ausgangspunkt ist die Photo-Ausstellung im Literaturhaus: Zeitlang. Unbekanntes Bayern. Die Fotographien sind von Sebastian Beck, begleitet hat ihn auf seiner Phototour der Journalist Hans Kratzer.
Die Lesung steht unter dem Motto: Zeitlang, heute friere ich nicht mehr, wenn ich an gestern denke. Es geht um mein Frühwerk “Winterherzen“ und meine Beziehung zur Heimat. Der Kurator der Ausstellung, Hans Kratzer, moderiert.

Frau Ach,
Sie haben Sie eine besondere Art, Figuren und deren Empfindungen zu beschreiben. Ihre Texte durchfluten philosophische und poetische Farben. Lassen Sie uns Leserinnern und Leser weiterhin daran teilnehmen.
Wir danken für das Gespräch.


©Steffi.M.Black 2021(Text)
©Sophia Aujezdsky(Bild)

Für Tickets bitte
auf diese Seite gehen und rechts oben „STREAM TICKETS“ anklicken:
https://www.literaturhaus-muenchen.de/veranstaltung/heute-friere-ich-nicht-mehr-wenn-ich-an-gestern-denke/

p.s
Frau Marianne Ach
ist auch in Youbtube zu sehen mit: Wie entsteht ein Roman