Gespräche
01.12.2019 - Das Gespräch mit den Verlagsfrauen von Verlag "&Töchter"
rauschen&Töchter
inspiriert \ unbändig \ jung
Wir denken das Verlegen neu.
Mit Büchern, Podcasts und Veranstaltungen.
Für eine Kreativkultur, die bleibt.
Das wollten - Elena Straßl, Jessica Taso, Laura Nerbel, Lydia Scherf und Sarah Zechel und gründeten den Verlag "&Töchter"
Wir denken das Verlegen neu.
Mit Büchern, Podcasts und Veranstaltungen.
Für eine Kreativkultur, die bleibt.
Das wollten - Elena Straßl, Jessica Taso, Laura Nerbel, Lydia Scherf und Sarah Zechel und gründeten den Verlag "&Töchter"
Der Verlag &Töchter ist nun bald ein Jahr alt und hat die erste Buchmesse hinter sich gebracht. Standen die Manuskript-Einreicher bei Ihnen Schlange?
Laura: Im Sommer gab es einen Artikel über uns in der SZ, und daraufhin bekamen wir viele Manuskripte, da waren wir einige Monate gut beschäftigt. Jetzt kommen in regelmäßigen Abständen weitere Einsendungen rein.
Wollen Sie die Manuskripte auch als Buch verlegen?
Laura: Unser Verlag besteht aus drei Bereichen. Wir wollen einerseits Bücher machen, wir haben aber auch den Bereich Veranstaltungen, bei denen unveröffentlichte Texte von ihren eigenen Verfassern vorgelesen werden. Diese werden aber nicht zwangsläufig als Buch verlegt. Im dritten Bereich nehmen wir unter dem Namen „plauschen&Töchter“ einen Podcasts auf.
In einem Interview gaben Sie bekannt, dass Sie das Lesen wieder cool machen wollen, und Bücher zu einem Gesprächsthema. Wie dürfen wir Leserinnen und Leser das verstehen?
Elena: Wir wollen nicht nur als Verlag arbeiten, der nur Bücher verlegt, sondern auch in andere Bereiche vordringen. Zum Beispiel veranstalten wir Leseabende. Da bringen wir möglichst viele Menschen zusammen, die vielleicht nicht die großen Leseratten sind, aber Lust haben, einen schönen Abend zu verbringen, die sich für Kultur interessieren und auch darüber sprechen wollen.
Welche Texte suchen Sie denn dafür aus?
Laura: Alles was uns anspricht. Bei unseren eigenen Veranstaltungen, den „rauschen&Töchter“, gibt es immer ein Motto, das nächste heißt: „wagemutig“. Der Fokus liegt auf Texten, sowohl Geschichten als auch Gedichten. Wir sind für alles offen, das wichtige ist, dass uns die Texte ansprechen, und dass es ein abwechslungsreicher Abend wird.
Mag das Publikum Lyrik, ist das vorrangig ein Bedürfnis, oder hat das Publikum lieber fließende Texte?
Lydia: Es wird eher erwartet, dass es fließende Texte sind. Poetry Slam geht in Richtung Lyrik, ihre besondere Art und Weise spricht viele an, deswegen gibt es ja die großen Poetry-Slam-Abende. Bei uns sind die Abende bunt gemischt.
Was machen Sie mit den Texten?
Lydia: Bei Texten, die wir für die Veranstaltungen geschickt bekommen, wählen wir aus, ob sie zum jeweiligen Motto und zur Abendgestaltung passen.
Elena: Bei zugesandten Manuskripten arbeiten wir erstmal klassisch, wir können nicht komplette Manuskripte bearbeiten bzw. lesen, wir sind aber interessiert an allem, was uns zugeschickt wird. Wir freuen uns, wenn wir ein Exposé und Ausschnitte von Texten bekommen. Am liebsten per eMail, um auch Papier zu sparen. Wir schauen uns die Texte an, ob sie in unser Programm passen und ob sie uns persönlich gefallen.
Das Konzept des Verlages „&Töchter" ist ein eigenwilliges Konzept. Welcher Erfolgsstern zeichnet sich am Horizont ab?
Elena: Ein klarer Erfolg ist daran zu erkennen, dass wir ganz viel Feedback bekommen haben. Es kommen viele Leute zu den Veranstaltungen. Wir stehen natürlich vor großen Herausforderungen, aber angesichts der Masse, die an Arbeit vor uns steht, läuft bisher alles gut. Es funktioniert, was wir uns vorgenommen haben.
Lydia: Es war auch ein Erfolg, dass wir auf der Buchmesse in Frankfurt/M vom „Mediennetzwerk Bayern“ eingeladen worden waren. Dort durften wir uns am Stand vorstellen. Vor einigen Wochen ist unser Podcast „plauschen&Töchter“ online gegangen. Auf Musikplattformen wie Spotify & Co. sprechen wir locker und ehrlich über Themen, die uns bewegen. Dort erreichen wir noch eine neue Zielgruppe. Es freut uns sehr, dass wir schon positive Rückmeldungen zu unseren Podcast-Gesprächen bekommen haben.
Warum machen Sie das kollektiv, oder anders gefragt - warum haben Sie sich nicht Verlagen anvertraut?
Laura: Wir haben uns letztes Jahr im Masterstudium Buchwissenschaft kennengelernt, und entdeckt, dass unsere Vorstellungen ziemlich ähnlich sind, aber konträr zu diversen Verlagen. Da haben wir uns gesagt: Das können wir auch.
Elena: Es ist auch der andere Arbeitstalltag, den man sich wünscht. Im Verlag ist man für einen bestimmten Bereich angestellt, wir haben aber die Möglichkeit hier alles komplett selbstständig zu machen.
Sie alle haben Buchwissenschaft studiert, und kennen sich aus dem Studium. Warum haben Sie dieses Fach gewählt?
Laura: Uns interessieren die Prozesse und Mechanismen des Büchermachens. Im Studium wird dies in den größeren Zusammenhang der Buchbranche gebettet, sodass die Studierenden einen umfassenden Blick über den Markt und die Branche erhalten.
Ist es Zufall, dass nur Frauen im Verlagsteam sind, es studieren auch Männer Buchwissenschaft.
Elena: Männer sind leider äußerst rar gesät in diesem Studiengang. Dass wir nur Frauen sind, ist also eher kein Zufall.
Haben Sie schon Bücher verlegt?
Elena: Wir arbeiten gerade an unseren ersten Projekten.
Sie brauchen ein Verlagsprofil, für wen ist das angelegt, für junge Leser/Innen?
Elena: Ja, eigentlich schon. Wir möchten das verlegen, was uns selbst interessiert, und damit sind wir unsere Zielgruppe und haben so eher ein jüngeres Publikum und Leserschaft im Auge, aber wir sind total offen.
Wie kann man sich über die Aktivtäten von rauschen&Töchter, der Veranstaltungsreihe von &Töchter, informieren? Ich weiß, dass Sie in Facebook sind, aber da ist ja nicht jede/r Mitglied.
Lydia: Unsere Zielgruppe schon. Wir haben eine Webseite, wir arbeiten viel mit Instagram, wir haben einen Newsletter, in dem wir unsere Veranstaltungen bewerben. Wir geben unsere Veranstaltungen an Magazine oder Blogs weiter. Wir arbeiteten bereits in Kooperation mit MucBook zusammen. Das ist ein monatliches Online-Magazin. Ganz klassisch legen wir auch Flyer und Sticker an Orten aus, an denen sich unsere Zielgruppe aufhält, und informieren die Münchner Schreibgruppen über kommende Veranstaltungen.
Welche Orte suchen Sie sich für die Lesungen aus?
Laura: Orte, die wir selbst spannend finden. Die finden wir teilweise im privaten Bereich, teilweise werden wir von den InhaberInnen angefragt. Unsere nächste Veranstaltung „rauschen&Töchter“ findet in einem Boxstudio statt.
6 Millionen Leser, wurde vom Börsenverein ermittelt, sind verschwunden. Kann man die einholen, und mit was?
Lydia: Wir denken mit Veranstaltungen.
Elena: Man darf da auch nicht immer so pessimistisch sein. Die ganz Branche spricht davon, dass 6 Millionen LeserInnen verschwunden sind. Sie ist aber noch immer die größte Medienbranche in Deutschland, die Geld verdient, die unglaubliche viele Bücher verlegt. Es kommen immer mehr Bücher auf den Markt als vor fünf Jahren, als es noch 6 Millionen Leser mehr gab. Ich glaube, man kann mit neuen Ideen so viel bewirken, und so viel neues in dieser Branche schaffen. Die Digitalisierung ist noch nicht überall angekommen, vielleicht geht auch es gar nicht darum, 6 Millionen Leser zurückzuholen, sondern darum, neue Menschen auf Bücher aufmerksam zu machen.
Wie groß ist die Angst vor Fehlentscheidungen?
Lydia: Uns wurde auf der Buchmesse der Tipp gegeben: scheitert.
Wirklich – so negativ?
Lydia: Man sagte, wir sollen es ausprobieren und keine Angst davor haben. Wir sind uns vorher bewusst, was die Konsequenzen sein könnten, und wenn sie eintreten, dann ist es so. Gleichzeitig haben wir auch viele Chancen.
Laura: Viele neue Ideen entstehen dann, wenn man merkt, man kommt an einen Punkt, an dem es nicht mehr weiter geht, oder an dem man sich verzettelt. Dann sollte man nicht aufgeben, sondern sagen: Ok wir scheitern jetzt, aber wir stehen danach wieder auf und überlegen uns was Neues.
Lassen Sie Emotionen bei Entscheidungen zu, oder wie gehen Sie vor?
Lydia: Wir Frauen sind alle miteinander befreundet und kennen uns so gut, dass wir in gewissen Punkten emotional sind, aber niemanden deswegen angreifen würden. Bei uns kann und soll jede ihre Meinung ausdrücken.
Elena: Emotionen sind ganz wichtig, denn wir wollen das machen, was wir lieben, und da muss Emotion ein bisschen bei den Entscheidungen mit reinspielen. Emotionen zeigen, dass viel Herzblut dahintersteckt, so sehen die Leute uns nicht nur als gesichtslosen Verlag, sondern als Marke und Frauengruppe.
Lydia: Das ist auch das, was Bücher ausmacht.
Laura: Mir persönlich tut es sehr gut, mit meiner Meinung nicht zurückstecken zu müssen, sondern mich frei äußern zu können.
Wie stellen Sie sich die Zukunft des Lesens vor?
Lydia: Wir glauben nicht, dass das gedruckte Buch verschwinden oder neben anderen Medienangeboten verlieren wird. Es ist und bleibt eines der bedeutendsten Kulturgüter, das müssen wir betonen. Nur mit Büchern können wir so gut träumen, fantasieren und Muße tun. Wir feiern die Literatur mit all unseren Verlagsbereichen, ob Leseabend oder Podcast, und stecken junge Leute mit unserer Begeisterung an, zu texten und zu lesen. Dabei merken wir immer wieder, dass wir damit nicht allein sind.
Von was würden Sie sich denn gerne überraschen lassen?
Laura: Überraschungen sind eigentlich immer die Texte, die vorgetragen werden. Es ist schön, wenn sich die Leute trauen, bei den Veranstaltungen auf die Bühne zu gehen und ihre eigenen Texte vorzulesen.
Lydia: Uns überrascht immer wieder, dass wir offenbar auch bei denen gut ankommen, die sonst gar nichts mit der Branche oder mit Büchern zu tun haben.
Wie erfährt man über Ihre Projekte?
Elena: Einmal über unsere Webseite und unseren Newsletter. Wir haben außerdem einen Instagram-Account, auf dem alle Informationen zu finden sind. Dort zeigen wir uns auch von einer sehr persönlichen Seite.
Bücher im klassischen Sinn ist ein - gedrucktes Buch-, vielleicht fadengebunden, und hat einen schönen Schutzumschlag oder Leineneinband. Liegt das auch in Iihrem Interesse, wenn Sie Bücher verlegen werden?
Elena, Laura, Lydia: Absolut. Wir selbst lesen nur wenig mit dem eBook-Reader, uns ist das haptische Erlebnis wichtig.
Elena: Als Verlag geht es einem darum, dass die Leute lesen, da ist es egal, ob sie das gedruckte Buch oder das eBook lesen, solange sie Literatur konsumieren. Das darf man nicht vergessen, da das eBook immer so verteufelt wird. Solange ein Mensch Literatur konsumiert, darf er das natürlich auch mit dem eBook. Aber wir persönlich lieben haptische Bücher und werden unseren Fokus darauf legen.
Wie geht es bei "&Töchter" weiter?
Im November veranstalten wir das inzwischen dritte „rauschen&Töchter“ unter dem Motto „wagemutig“. Es findet in der der Boxhalle Mariposa B.C. in der Geretsriederstraße 10a statt. Am 12. Dezember richten wir in Kooperation mit dem Indie Cat Club einen Leseabend im Prygoshin Backroom in der Dachauer Straße 14 aus.
Im Januar und Februar 2020 planen wir weitere Veranstaltungen, natürlich auch wieder an ungewöhnlichen Orten. Das wird vorher noch bekannt geben.
Wir von Bücher&mehr e.V. wünschen dem Team von Verlag "&Töchter" angenehme Überraschungen, vielseitige Manuskripte, und ein langes Team-Leben. Vielen Dank für das Gespräch.
Veranstaltungen:
rauschen&Töchter, 29.11.2019, Mariposa B.C., Geretsrieder Straße 10a
Dunkelbunte Nacht – Secret Reading Session, 12.12.2019, Prygoshin Backroom, Dachauer Straße 14
Informationen über Lesungen
https://und-toechter.de/rauschenundtoechter/
web: und-toechter.de
instagram: @und.toechter
facebook: Und.Töchter
©Steffi.M.Black 2019(Text)
©Marc Sigl (Foto))