Newsletter

Journal
Der Nahost-Konflikt aus Sicht derer, die ihn erleben
mehr lesen
...

Erich Kästner u. Walter Trier
mehr lesen
...

Zukunft denken
mehr lesen
...

Kafka
mehr lesen
...

Die Volljährigkeit naht, und dann?
mehr lesen
...

Weihnachtszeit
mehr lesen
...

Der Mann, der alles erfand - nur nicht sich selbst.
mehr lesen
...

Auch die Nacht hat eine Farbe
mehr lesen
...

Bekenntnisse eines Außerirdischen
mehr lesen
...

Das Gespräch mit Anne Freytag
mehr lesen
...

Sie sind hier: Gespräche#429

Gespräche



 01.11.2019 - Das Gespräch mit Karl Stankiewitz 



Autor Karl Stankiewitz

Karl Stankiewitz hat eine lange Reportergeschichte, von der Gründung der ersten Münchner Schülerzeitung nach Kriegsende, dann Volontär bei der Süddeutschen Zeitung, wurde er Reporter der Abendzeitung, veröffentlichte eine Reportage über Menschschmuggel, den er aufdeckte, war Mitarbeiter des Spiegel und Mitarbeiter bei Rundfunksendern. Anlässlich von Karl Stankiewitz '90. Geburtstag eröffnete der Heimatforscher Hermann Wilhelm im Münchner Haidhausen-Museum Ende September 2018 eine Ausstellung über den Journalisten. Karl Stankiewitz publizierte Bücher zur Kultur- und Politikgeschichte Bayerns und machte Literarische Wanderungen.
Sein neuestes Buch „Münchner Originale. Fotografien aus der Sammlung Karl Valentin im Stadtarchiv München“ ist im Allitera Verlag erschienen. Eine Ausstellung dazu ist im Kloster Benediktbeuern zu sehen.


Herr Stankiewitz, Sie wandern gerne. Entstand daraus Ihre Freude zum Bücherschreiben?
Nein, das nicht. Beim Wandern fällt mir viel ein, ob Ideen oder Formulierungen, aber die Idee an sich zum Bücherscheiben ist da nicht entstanden.

Die Einträge über Ihre Bücher in Wikipedia sind sehr lang, es gibt aber auch einen ebenso lange Eintrag über Sie, Ihre Person und Ihr Schaffen. Sie haben viele Bücher geschrieben. Ihre Themen sind vielfältig, aber Sie bleiben gerne in Bayern und produzieren Bücher wie:
-Babylon in Bayern. Wie aus einem Agrarland der modernste Staat Europas werden sollte
-Keiner will schuld sein. Schlagzeilen aus Münchner Gerichtssälen 1950–1995
-Der Stachus. Wo München modern wurde, um nur drei zu nennen, denn das ist nur ein Bruchteil Ihres Schaffens. Wie kam es zu diesen Büchern?

Aufgrund meiner früheren Tätigkeit, als Stadtreporter und Münchner Korrespondent, hatte ich viel Material über das, was ich geschrieben habe, gesammelt. Da kamen mir immer wieder neue Ideen, mal dies oder jenes Thema zu nehmen, zum Beispiel Gerichtsprozesse, oder Skandale und so sind aus den Artikeln die Bücher entstanden.

Ihr neuestes Buch geht über den allseits geschätzten Karl Valentin „Münchner Originale. Fotografien aus der Sammlung Karl Valentin im Stadtarchiv München“. Verlegt im Allitera Verlag. Das ist ein großartiges Buch über Münchner Originale, vom Weltverbesserer bis zum Grimassenschneider. War das Schaffen dieses Buches eine Herzensangelegenheit von Ihnen?
Die Idee kam von der Kuratorin Frau Pedarnig, und ich habe den Auftrag gerne angenommen. Frau Pedarnig hat große Verdienste an diesem Buch.

Waren Sie wirklich in 66 Ländern der Welt und haben als Reise- und Alpinjournalist darüber berichtet?

Ja, wenn man auch Südtirol, oder Länder, die es damals noch gab und die zum Beispiel heute Kroatien heißen, dazu zählt. Reportagen aus diesen Ländern habe ich für zwei Bücher verwendet.

Wo würden Sie gerne wieder hinreisen?
Für mich als Naturfreund war es in Kanada sehr schön. Es gibt viel Interessantes zu sehen, aber die Welt ist so kompliziert geworden, und das Reisen auch.

Herr Stankiewitz, Sie sind Mitglied der Oskar M. Graf-Gesellschaft. Sind Sie darin aktiv?
Ich nehme an den Veranstaltungen teil, besonders aktiv bin ich nicht.

Und die Monacensia, das Literarische Gedächtnis der Stadt München, unterstützen Sie auch?
ja, auch nur als zahlendes Mitglied und Sympathisant oder Berichterstatter.

Ein Buch von Ihnen gefällt mir besonders, das über „München ’68 -Traumstadt in Bewegung“. Verlegt im Volk Verlag. Gerade diese Bewegung, die Rebellion, den Unmut der Münchner Bürger und Studenten haben Sie detailliert in Bilddokumenten und Texten festgehalten. Es heißt ja immer, dass hier in München 1968 kaum ‘was los war. Sie belegen das Gegenteil. Wie war das für Sie, da mitten drin zu sein?
Erstens muss ich sagen, dass das Buch noch mal in zweiter Auflage erschienen ist, das war 2008 zum 50. Jahrestag, da ist es ein bisschen verändert worden. Dass es so umfangreich geworden ist, liegt daran, dass ich mich nicht nur auf die studentischen Aktivitäten beschränkt habe, sondern auf das ganze gesellschaftliche Werden in jenem Jahr. Da bewegte sich sehr viel, an der Uni, in der katholischen Kirche, in Musik, Malerei und Kunst. Überall war ‘was los, Versammlungen, Demonstrationen oder Happenings, dann das große Gespräch im Rathaus mit dem SDS und Bürgermeister Vogel, das alles habe ich zusammengefasst. Deswegen ist es pluralistisch geworden und nicht einseitig politisch.

Letztes Jahr, im Jahr 2018, bekamen Sie die Medaille „München leuchtet“ in Silber für Verdienste um die Kulturstadt München. Herr Stankiewitz, aber ein „Diploma di Benemerenza der Agenzia Nazionale Italiana del Turismo“ für Ihre professionellen Italien-Reiseberichte in über 40 Jahren zu bekommen, das kommt nicht jeden Tag vor, oder?
Über Italien habe ich eine ganze Menge geschrieben und veröffentlicht, darüber waren die Italiener ganz erfreut. Sie haben sogar eine Broschüre mit den Artikeln gemacht und mir diesen Preis verliehen, und dazu noch eine altmodissche Schreibgarnitur mit Feder, über die ich bei der Übergabe meinte, sie stamme vom Italienbesucher Goethe.

2012 brachten Sie ein Buch heraus mit dem Titel „Eine Jugend in München 1939–1949“ im Gerhard Hess Verlag. Das ist Ihre Jugend, und in dem Buch geben Sie dem Leser auch Einblicke in die Anfänge einer demokratischen Presse im Nachkriegs-München. Das Vorwort zu diesem Buch hat kein geringerer als der Altbürgermeister Dr. Hans-Jochen Vogel geschrieben. Erinnern Sie sich oft an die Zeit?
Zurzeit besonders, weil ich jetzt überall als Zeitzeuge gehandelt werde. Tatsächlich leben ja nicht mehr viele, die sich bewusst an diese Zeit erinnern , Ich habe eine Einladung ins NS-Dokumentationszentrum München am Max-Mannheimer-Platz bekommen. So erinnere ich mich zwangsläufig an die Kriegszeit und die Nachkriegszeit.

Bei Ihrem Buch „Aus is und gar is! Verschwundene Wirtshäuser, Theater, Cafés, Nachtclubs und andere Orte Münchner Geselligkeit“, auch im Allitera Verlag erschienen, bekommt so mancher Leser feuchte Augen. Es ist ein souveräner Reigen von Münchner Geselligkeit. Vom alten Tanzsaal im Rathaus bis zum Kunstpark Ost, der jetzt vom Werksviertel abgelöst wird. Was war Ihr Lieblingsort gewesen? Das Schwabylon?
Nein, das war mir zu wild und zu progressiv. Die Kneipen in Haidhausen, besonders das Songparnass, wo die später berühmten Liedermacher angefangen haben, wie Fredl Fesl, Willi Michl, Konstantin Wecker, waren zeitweise meine Stammlokale. Da ist man immer wieder überrascht worden.

Überholt ist auf keinen Fall das Buch „Poeten-Pfade in Bayern. Literaturwanderungen zwischen Alpen, Spessart und Böhmerwald“, im Kiebitz-Buch Verlag. Literatur vergeht nicht, und auf den Pfaden ist die Literatur noch heute erlebbar. Wer hat Sie auf diesen Spuren begleitet, und wie erlebnisreich waren diese Touren?
Auf den Spuren haben mich meine Schwägerin und Lebensgefährtin Alwine begleitet. In jedem Städtchen, und überall, wo ich hingekommen bin, habe ich Jemanden oder Arbeitskreise gefunden, die sich um die literarische Persönlichkeit, derentwegen ich in dem Ort war, kümmerten, und sie waren dann auch bei den Rundgängen dabei, manche unterstützten mich und gaben mir wertvolles Material dazu.

Sie suchten und fanden auch die Paradiese der Dichter hinter dem Brenner, und haben das Buch „Paradies der Dichter. Literarische Wanderungen in Österreich und südlich des Brenners“ herausgebracht. Stehen noch weitere Literaturwege an?

Nein, ich habe ziemlich viel Literaturwege gemacht, die beide erwähnten Bücher, dann Oberbayern „Sieben Wochen meines Lebens war ich reich“, und auch „Mit Fürsten und Dichtern durch die Alpen“. Meine Literarischen Wanderungen sind abgeschlossen, jedenfalls als Autor.

Doch zurück zu Ihrem neuesten Buch über Karl Valentin. In diesem Buch spürten Sie Lebensgeschichten vergessener bayerischer Originale nach. Das Stadtarchiv hat eine spektakuläre Sammlung von kolorierten Glasdiapositiven wieder aufgefunden, die Sie in dem Buch wiedergeben. Haben Sie die Originale bearbeitet?
Der Verlag hat sie bearbeitet, also gereinigt und restauriert. Diese sind auch vom 27. bis 08. Dezember 2019 in der Fotoausstellung „Karl Valentin – Münchner Originale“ im Kloster Benediktbeuern zu sehen.

In der Presse ist zu lesen, dass Sie eine „Kopfgeld-Lederhose“ haben. Das heißt, Sie haben 1948 nach der Währungsreform mit den 40 DM Startgeld, was auch Kopfgeld genannt wurden, eine Lederhose gekauft, und stimmt es, dass diese Lederhose heute in einem Museum ausgestellt ist?
Ja, in Regensburg, im Museum der Bayerischen Geschichte. Doch wie ich erfahren habe, liegt sie noch im Depot und wartet darauf, dass eine Ausstellung über die Nachkriegszeit, nächstes Jahr vielleicht, stattfinden soll, und da kommt sie als Symbol für die Währungsreform dazu.

Herr Stankiewitz, was ist Ihr nächstes Thema, für das Ihre Feder schon gespitzt ist. Was beobachten Sie in unserer Stadt – wieder einmal den Stachus, den Abriss vom Königshof?
Ich verrate Ihnen gerne, was mein letztes Buch sein wird. Der Titel ist „Münchner Meilensteine“. Das geht um die größeren Ereignisse des letzten Jahrhunderts, die hier in München waren. Angefangen vom Ersten Weltkrieg, der Nazizeit, der Nachkriegszeit bis zum Jahr 2000, was da alles so an politische, wirtschaftlichen, kulturellen und sonstige großen Ereignisse über diese Stadt hereingebrochen war. Das werde ich zusammenfassen, mit meinem persönlichen Bezug zu diesen Ereignissen.

So warten wir gespannt auf Ihr nächstes Buch. Vielen Dank für die Bücher, die Sie für uns schon geschrieben haben und vielen Dank für das Gespräch
.


©Steffi.M.Black 2019 (Text)
©Thomas Stankiewitz (Bild)