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Gespräche



 02.04.2017 - Katja Hirschel - Autorin 



Katja Hirschel

Katja Hirschel ist Sprachwissenschaftlerin und Autorin. Neben dem Schreiben ist Katja Hirschel Dozentin für Erwachsenenbildung in München. Seit 2012 verlegt der Acabus Verlag, ein Verlag für talentierte unentdeckte Autorinnen und Autoren, Katja Hirschels Kriminalromane.

„Da standen sie nun, die beiden Männer: reglos eng zusammengeschlungen, die Kleidung durchweicht an den Körpern klebend; einer groß und drahtig, einer klein und dick. Wie ein Liebespaar den Blick einander zugewandt, waren sie damit leider Hindernisse für den Oberförster, der nun auch aus der Hütte gestürmt kam und nicht mehr rechtzeitig abbremsen konnte. Der dumpfe Aufprall war jedoch für Hannes der Befreiungsschlag, denn obwohl er sich sekundenlang wie die Wurst zwischen zwei Brotscheiben fühlte, veranlasste der Zusammenstoß den dicken Mann dazu, seinen Griff zu lockern, sodass es Petersen gelang, sich zwischen den beiden anderen herauszuwinden und aufzustehen. “Herrschaftszeiten“ fluchte der Oberförster.“

Frau Hirschel, diese Sätze stammen aus Ihrem Krimi „Der Semmelkönig. Ein Krimi aus Bayern.“ Das macht natürlich neugierig, ob einer der Herren der Semmelkönig ist. Hat sich der Titel aus dem Schreiben heraus entwickelt, oder stand der Buchtitel für Sie von vorneherein fest?
Nein, Ich hab‘ einfach losgeschrieben. Der Titel ist beim Schreiben gekommen. Man muss wissen, dass ich mit Kurzgeschichten angefangen habe, und die Silben- und Zeilenbeschränkung hat mich genervt, sodass ich dann etwas Längeres produzieren wollte. Wohin sich die Geschichte entwickeln würde, war mir eigentlich gar nicht bewusst. Ich wollte nur 2 Wörter im Roman haben und das waren „Rotkäppchen“ und „altbacken“. Die Figur des Bäckermeisters Möller alias „Semmelkönig“ hat sich erst im Laufe der Geschichte entwickelt

Der Krimi „Der Semmelkönig“ ist Ihr erster Roman, oder besser gefragt, Ihr erster Krimi?

Ja, das kann man so sagen.

Sie sind Dozentin für Erwachsenenbildung und haben ein Neuland betreten. Sie können schreiben. Warum haben Sie so spät damit angefangen?
Frau Hirschel lacht. Keine Ahnung. Ehrlich gesagt: ich habe immer gerne gelesen, das Schreiben ist mir leicht gefallen. Irgendwann dachte ich, dass man als Gastdozentin nicht weiterkommt, und fragte mich, was ich noch so machen könnte, und so kam ich auf das Schreiben.

Haben die Figuren aus Ihrem Roman Vorbilder?

Mir sind Menschen eingefallen, die ich gesehen oder gekannt habe,, Es sind auch Charaktereigenschaften von mir oder von meinen Freunden dabei. Verschiedene Lebenssituationen sind auch passiert.

Ist es erlaubt zu fragen, warum Sie eine Protagonistin in Rotkäppchen-Kleidung mit Reizunterwäsche stecken?

ich wollte der Rotkäppchen-Leiche eine erotische Note beimischen.

Frau Hirschel, Sie sind so fröhlich, ist es das Geheimnis, warum sie humorvoll schreiben?
Vermutlich. Ich sehe nicht alles so ernst, mir fallen überall lustige Sachen auf, die sich gut in Geschichten widerspiegeln können.

Der Kommissar in „ Der Semmelkönig“ hat den lustigen Namen Kommissar Maus. Wer stand für ihn Pate?

Eine konkrete Person nicht direkt. Er ist eine Mischung aus beliebten Fernsehkommissaren. Es ist für mich wichtig, dass ich nicht zu viel über diese Person sage. Ich möchte dem Leser offen lassen, sich seinen eigenen Kommissar vorzustellen. Für mich persönlich und charakterlich kann ich mich mit Maus gut identifizieren.

Beim Acabus Verlag, einem Verlag für talentierte, deutschsprachige Autorinnen und Autoren, haben Sie einen Wettbewerb für literarische Experimente gewonnen und haben einen Autorenvertrag erhalten. Gratulation. Das ist nicht nur Freude, sondern auch Ansporn?
Es ist Freude einen Verlag zu haben, ich bin froh und zufrieden, vor allem, weil der Verlag auch weitere Texte von mir haben will.

Dem Ansporn folgte Ihr zweiter Krimi „Der Henker von Bad Berging. Noch ein Krimi aus Bayern.“ Wieder dabei ist Kommissar Maus. Ich mag Ihren Kommissar. Er drückt sogar noch am Abend die Schulbank. Sehr sympathisch. Der Krimi ist atemraubend. Frau Hirschel, in diesem Krimi geht es um einen skrupellosen Mörder. Sie beschreiben seine Taten ganz schön drastisch. Ging ihnen das leicht von der Hand?
Ja, das machte mir kein Problem. Die Morde hat man ja nicht so mitbekommen, nur die Funde wurden erwähnt. Dazu musste auch was‘ Absurdes her, wie die Wildschweine oder absonderliche Fundorte. Es geht ja nicht, nur immer schön zu schreiben. Frau Hirschel schmunzelt.

Um einen Krimi zuschreiben, dazu einen so spannenden wie „Der Henker von Bad Berging“, bedarf es einer psychologischen Struktur. Wie gehen Sie da vor?

Meine Charaktere entwickeln sich beim Schreiben. Ich habe beim „ Henker“ zwei Charaktere hervorgehoben. Auf der ein Seite der Kommissar Maus, den man mag, und auf der anderen Seite der Profiler Jens Kessler. Der war besonders schwierig für mich. So einen „Kotzbrocken“ zu beschreiben hat mir aber trotzdem Spaß macht. Beim Charakterisieren halte ich mich auch ein bisschen an Bekannten fest, oder an Freunden und Familie.

Haben Sie eine Krimi-Schreib-Schule besucht?

Nein, das habe ich nicht. Ich weiß, es gibt viele Kursangebote, um kreatives Schreiben zu lernen. Seit kurzem bin ich jetzt bei den „Mörderischen Schwestern“. Das ist eine Organisation schreibender Kriminalautorinnen.

Bestimmt kennen Sie das Krimi-Festival, das jedes Jahr in München stattfindet. Nehmen Sie daran teil?

Bis jetzt noch nicht. Ich bin eine junge Krimi-Autorin, das heißt, ich habe erst zwei Krimis geschrieben. Im Programm bin ich noch nicht dabei. Aber als Privatperson kenne ich natürlich das Festival und habe die eine oder andere Veranstaltung besucht.

Der Krimi „Der Henker von Bad Berging“ hat fast 500 Seiten. Liebe Leser - nicht abschrecken lassen, denn für den, der‘s mag, für den ist es das höchste -
Frau Hirschel, hätten Sie weiterschreiben können?

Ehrlich gesagt, mir wurde es fast auch ein bisschen zu lang. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anfügen, dass ich dicke Bücher liebe und im Urlaub immer mindestens 3 Wälzer dabeihabe, aus lauter Panik, dass mir der Lesestoff ausgehen könnte. Beim „Henker“ bin ich aber an mein persönliches Seitenlimit gekommen und dabei habe ich bei der Überarbeitung sehr viel gestrichen. Jedoch schwöre ich hiermit, dass der nächste Maus-Krimi kürzer wird.

Ich finde es großartig von Ihnen, die bayerischen Umgangswörter ins Hochdeutsche übersetzt als Fußnote anzuhängen. Der Leser, der kein bayrisch versteht, bekommt in 160 Fußnoten ein Bayrisch-Lexikon mitgeliefert. Haben Sie dafür Lob bekommen?

Ich finde Dialekte einfach toll. Durch die Fußnoten sind meine Krimis auch im Norden oder Westen oder Osten zu lesen. Das lockert Geschichten auf, und das findet beim Leser großen Gefallen.

Frau Hirschel,
am liebsten würde ich jetzt auf Bayrisch sagen: lassen Sie uns Leserinnen und Leser der Münchner Stadtbibliotheken nicht solange auf den nächsten Krimi aus Bayern warten. Pfüat di, und vielen Dank für das Gespräch.

©Steffi.M.Black 2017 (Text)
©Katja Hirschel privat(Bild)