Newsletter

Journal
Roman: Der nackte Wahnsinn
mehr lesen
...

Das Gespräch mit Gunna Wendt
mehr lesen
...

Lost in Translatione Stefan Wimmer
mehr lesen
...

Das Gespräch mit Stefan Wimmer
mehr lesen
...

10 Fragen an Rafael Seligmann
mehr lesen
...

Die großen Unbekannten der Mathematik
mehr lesen
...

Was, wenn das Leben, das du führst, nie deins war?
mehr lesen
...

Der längste Sommer
mehr lesen
...

Das Haus am Gordon Place
mehr lesen
...

Fräulein Prolet heißt Fritzi, sie ist Munitionsarbeiterin, 17 Jahre alt, und sie erlebt die aufreibende Zeit zwischen Revolution und Entstehung des Freistaats Bayern und sie verehrt Sonja Lerch.
mehr lesen
...

Sie sind hier: Gespräche#169

Gespräche



 20.09.2015 - Michael Gerwien - Krimiautor u.Musiker 



Michael Gerwien

Michael Gerwien
ist Kriminalschriftsteller.
Seine regionalen Krimis um München und Oberbayern sind spannend, oft satirisch und echt bayrisch. Wenn sie auch in Hochdeutsch geschrieben sind, ist das bayerische Lokalkolorit nicht zu überhören – hier (in den Büchern) natürlich nicht zu überlesen.


Herr Gerwien,
alle Ihre Krimis mit dem sympathischen Exkommissar Max Raintaler spielen in München und in der Umgebung. Ist das eine Hommage an die schöne Stadt München, oder liegt es nur dran, dass Sie sich da gut auskennen?

Beides. Es ist sowohl eine Hommage an München und an die bayerische Umgebung, vor allen auch an die bayerischen Berge, denn einige meiner Krimis spielen dort. Für einen Regionalkrimi eignet sich die eigene Umgebung sehr gut, da wo man sich gut auskennt und das Lebensgefühl atmet. Ich bin in Mittenwald aufgewachsen und der Krimi „Alpentod“ zum Beispiel spielt dort.

Die Isar hat’s Ihnen auch angetan, gleich drei Krimis hintereinander
„Isarblues, Isarbrodln, Isarhaie“ haben Sie geschrieben. Alle Ihre Krimis sind im Gmeiner Verlag erschienen. Was hat Sie dazu inspiriert
?
Ich lebte immer rechts der Isar, in Mittenwald gleich am Ursprung der Isar, und hier in München wohne ich auch wieder rechts der Isar. Sie begleitet mich.

Dann könnte ja noch Isarflimmern, Isarwasser folgen...
Der Autor lacht.

Was war das für ein Gefühl, seinen ersten Krimi gedruckt zu sehen und in den Händen zu halten?
Schön, sehr gut. Das Gefühl seine Erstveröffentlichung in der Hand zu halten ist etwas ganz besonders.

Worin liegt die Herausforderung, Kriminalromane zu schreiben?

Die Herausforderung für mich persönlich liegt darin, einen guten interessanten Plot zu schreiben, aber trotzdem nicht zu kompliziert zu werden. Auch darf man den Leser nicht langweilen, selbst in den Passagen, in denen es privat zugeht.

Ist die Vermutung richtig, dass Sie als KrimiAutor auch ein Fan von Kriminalfilmen und von der Fernsehserie TATORT sind?

Ja, aber mit Abstrichen und Differenzierungen.

War dann die Begeisterung dafür maßgebend, dass Sie Krimi-Autor wurden?

Die Begeisterung fürs Schreiben war hier maßgebend, nicht die fürs Fernsehen. Und den Krimi hab ich mir dabei ausgesucht, um eine Möglichkeit zu haben, meine Ideen in einem auf gewisse Weise bereits vorgegeben Rahmen flott umzusetzen.

Was läuft einem so übern Weg, um Krimis zu schreiben, in denen es auch mal ganz schön blutig her geht?

Alles das, was ich durch Zeitungsmeldungen, Nachrichten oder Geschichten so mitbekomme. Viele Krimis sind dabei aber nur ein schwacher Abklatsch der Realität. Die Realität ist meist wesentlich härter und man wird als Autor davon überholt. Meine Regional-Krimis sind absichtlich nicht besonders blutig konzipiert. Hier sollen die gemütliche bayrische Unterhaltung und der Humor im Vordergrund stehen. Richtig blutig hergehen wird es dagegen in meiner neuen Thrillertrilogie. Zwei Teile sind bereits fertig.

Oh, Thriller! Verlassen Sie nun nach 10 München-Krimis das Terrain München-Krimis und machen die Krimis schärfer? Der Bayer würde sagen - es krachen lassen?
Richtig. Eine Reihe erschöpft sich irgendwann. Dann muss was Neues her. Es war sehr reizvoll, sich eine spannende und sehr heftige Geschichte auszudenken. Natürlich geht sie auch wieder von München aus, führt aber im weiteren Verlauf vom Chiemsee aus auch nach Portugal, in die USA, Mexiko und Kuba. Die Geschichte ist im Journalisten- und Waffengenre angesiedelt. Es geht um brutale Auftragsmorde, geheime Pläne und um Rache. So viel sei bereits verraten. Der erste Teil wird im Herbst 2016 auf den Markt kommen. Wieder beim Gmeiner Verlag, mit deren Programmleitung ich bisher sehr gut zusammenarbeite.

Krimi-Autoren sind oft gute Psychologen oder gute Menschenkenner. Sollte man für das Genre Kriminalromane Psychologie studieren?

Hm, schaden würde sicher nicht, aber eine Voraussetzung ist es sicher nicht. Eine gute Beobachtungsgabe und die Fähigkeit zu Reflektion und Abstraktion ist aber meiner Meinung nach schon von Vorteil. Und Talent zum Schreiben braucht es natürlich auch.

Als Autor müssen Sie geschickt vorgehen, sodass wir Leserinnen und Leser beim Lesen der Krimis Vermutungen anstellen, wer der Mörder ist, und dann war’s doch ein anderer. Welche Strategie verfolgen Sie in der Regel?

Ich lege falsche Fährten. In meinem Kopf arbeitet es weiter und überraschenderweise kommt es dann doch anders, als man denkt.

Aha, Sie wollen uns Ihre Strategie nicht verraten.


Herr Gerwien, in Krimis wird so mir nichts, dir nichts gemordet oder Menschenleben werden einfach über den Haufen geworfen. Wenn Sie diese Szenen schreiben, schalten Sie dazu Ihre Nerven aus?
Nein, das muss ich nicht. Was da passiert, betrachte ich ganz sachlich mit den Augen eines Beobachters aus der Ferne. Ich versuche die Szenen nachzuvollziehen, wie sie gewesen sein könnten, denn selber läuft man ja nicht durch die Gegend und sucht sich seine Opfer.

Haben Sie mal über ein Mordmotiv nachgedacht, das bis jetzt in Krimis noch nicht vorgekommen ist?

Ich glaube, da gibt es keins. In den vier Milliarden Krimis, die es gibt, ist wohl alles bereits vorgekommen. Morde passieren meistens ganz unspektakulär im Alltag. Mann erschlägt Frau aus Eifersucht oder umgekehrt usw. Die Frage für einen Krimi-Autor ist, wie man die Motive wieder neu verpackt und wie man die Perspektiven für die Erzählung angeht.

Gab es für Sie auch mal Selbstzweifel zu den Inhalten Ihrer Krimis?

So gut wie jeder Schriftsteller hat wohl gelegentlich seine Zweifel, ob das, was er macht, richtig ist; ob er gut schreibt, ob es ausreicht, wie Szenen beschrieben werden, usw. Man lebt mit dem Zweifel.

Wenn Sie Mordszenen schreiben, und es krachert in den Romanen dahergeht, suchen Sie danach Beistand bei Freunden?
Nein, das muss wirklich nicht sein.

Was tut das Lektorat für die Romane, wird viel gestrichen?

Das Lektorat korrigiert Rechtschreibfehler sowie Wiederholungen, liest nach logischen Fehlern und gibt Tipps, wie man die Geschichte optimieren kann. Wenn dabei etwas gestrichen werden muss, ist es eben so. Das nehme ich als Autor gerne und dankbar an, wenn es die Geschichte objektiv verbessert.

Wenn bei Ihrem Protagonisten Max Raintaler das Handy klingelt, ertönt die Melodie aus dem Film „Spiel mir das Lied vom Tod“. Das ist gruselig.

Raintaler ist ja selber Musiker und spielt Country-Musik und ich fand, dass der Soundtrack aus dem Film „Spiel mir das Lied vom Tod“, diese leicht morbide Melodie, zu Max Raintaler recht gut passt.

Herr Gerwien, wollten Sie selbst einmal Polizist oder Kommissar werden?

Nein, dazu hatte ich niemals Ambitionen.

Ein Klischee im Krimi ist, dass ehemalige Kollegen gemieden oder bekämpft werden, wenn sie nur in der Nähe des Kommissariats auftauchen. In Ihren Krimis ist es ganz anders, der Exkommissar wird sogar vom Hauptkommissar dafür angeheuert Kriminalfälle mit zu lösen. Wollen Sie mit gutem Beispiel vorangehen?

Die Beiden sind alte Freunde seit Kindertagen. Raintaler war schnell und effizient als Kommissar. Er hatte die Fälle immer bald gelöst, war der bessere Aufklärer von Beiden, aber dann hat er sich mit den Vorgesetzten angelegt, die ihm eins auswischen wollten. So kam es zu seiner Frühpensionierung. Sein alter Freund, der Hauptkommissar Franz Wurmdobler ist heute eigentlich nur froh, wenn er durch Raintalers Hilfe seine Aufklärungsquote verbessern kann.

Sind Sie im wahren Leben in die Münchner Pathologie gegangen, um vor Ort den wahren Tod zu sehen?

Muss man das? Ich habe den Tod mehrmals gesehen. Aber in der Pathologie war ich nicht.

Wie halten Sie als Autor die Spannung aus, die wir Leser beim Lesen der Krimis erleben?
Sehr gut. Ich versuche Handlungen ja immer möglichst spannend zu schreiben. Selbst wenn es dabei nicht ultrabrutal zugeht. Aber generell empfinde ich es so: Das Schreiben ist ein abgekoppelter Prozess. Es ist ein Handwerk. Die Geschichte wird erdacht, dann baut man Emotionen und Irrwege sowie Charakterisierungen ein. Das geschieht alles gezielt, bewusst und rational. Da alles sorgfältig geplant ist, berührt es mich nicht so sehr, dass ich zum Beispiel deswegen nicht weiterarbeiten könnte. Es soll aber den Leser berühren, das ist die Hauptaufgabe. Und dafür gebe ich mir alle Mühe.

Herr Gerwien, wenn Sie nicht schreiben, machen Sie Musik. Wie vertragen sich die zwei Seelen?
Wunderbar. Beide sind kreativ. Ich schreibe meine Musik auch selbst. Ich mache schon immer Musik. Seit meinem 14ten Lebensjahr.

Schon vor dem Schreiben?

Weit vor dem professionellen Schreiben. Texte geschrieben habe ich als Singer/ Songwriter bei der Musik natürlich auch. Ich habe in jungen Jahren bei einem Liedermacherwettbewerb gewonnen, seitdem bin ich mit der Musik dabei. Meine erste Schallplatte hab ich mit ca. 26 Jahren gemacht.

Wie sieht es auf Lesungen aus, stellen Sie sich gerne den Fragen aus dem Leserpublikum?

Ja. Ich mag es, wenn sich die Leute für den Text/Krimi von mir interessieren und ich weiterhelfen kann, um Dinge verständlicher zu machen oder zu erklären. Die Lesungen sind immer ein großer Spaß für mich, denn Max Raintaler ist ja auch Musiker und hat mir aufgetragen, auf den Lesungen seine Lieblingslieder zu spielen.

Lesen Sie auch Kriminalromane Ihrer Kollegen?

Klar, lese ich die auch. Ich lese prinzipiell gerne und viel. Kreuz und quer durch den Gemüsegarten. Nicht nur Krimis.

In Ihrem Krimi „Mordswiesen“ der auf dem Oktoberfest spielt, wollten Sie das Attentat von 1980 auf der Wies’n nicht erwähnen?

Die Story hat es nicht erfordert. Die Wies’n war für den Krimi „Mordswiesen“ nur eine Rahmenhandlung. Mir ging es um eigene Beobachtungen, die ich auf der Wies’n gemacht habe, wie die Leute die Wies’n zelebrieren. Ich wollte die „Mordswiesen“ unterhaltsam gestalten, und nicht an ein schreckliches Horrorszenario anknüpfen, dass real geschehen ist und uns alle geschockt hat. Das wäre dann wohl ein anderes Buch für einen anderen Kommissar oder Exkommissar.

Wir Leserinnen und Leser der Münchner Stadtbibliotheken sind neugierig, wann das Geheimnis um Max Raintaler gelüftet wird, warum er so frühzeitig aus seinem Job rausgeworfen wurde.
Herr Gerwien, und wir freuen uns, Max Raintaler wieder zutreffen, am liebsten auf der Hochzeit mit seiner Freundin Moni. Wir danken für das Gespräch.



©Steffi.M.Black 2015 (Text)
©MichaelGerwien(Bild)