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Gespräche



 02.06.2013 - Das Gespräch mit Asta Scheib 



Asta Scheib -links-

Asta Scheib
ist Autorin vieler Romane, Gedichte und Drehbücher. Frau Scheib war vor 10 Jahren dabei, um sich für das Bücherbegehren einzusetzen, als in München die Schließung einer noch gar nicht bekannten Anzahl von Stadtteilbibliotheken drohte.


Frau Scheib, was hat Sie bewogen, sich damals für die Erhaltung der Stadtbibliotheken einzusetzen?
Auf meinen Reisen und bei den Besuchen in den Stadtbibliotheken fielen mir immer Schulkinder auf, die die Bibliothek für Schularbeiten oder zum Lernen und zum Lesen nutzten. Sie trafen sich dort auch mit Freunden. Sie machten den Eindruck, dass die Bibliothek ein zu Hause für sie ist. Ich finde es gut, wenn junge Menschen von Büchern umgeben sind. Das kann das Lernen und Wissen nur fördern. Und wenn das wegfällt, sieht es düster aus für einen großen Teil unserer Kinder. Ich als Autorin lese gerne in Stadtbibliotheken (Lesungen), da kommen Menschen hin, die wirklich gerne lesen und zuhören.

Mit welchen Beiträgen haben Sie das „Bücherbegehren“ damals unterstützt? Ich habe aus meinem Buch “In den Gärten des Herzens – die Leidenschaft der Lena Christ“ gelesen, und mein Argument ist, dass es Orte geben muss, an denen Bücher kostenlos sind, und dass jeder, vor allen die Finanzschwächeren, an allem teilhaben können, was unsere Kultur bereit hält. Wie ich schon sagte, es ist ein großes Anliegen von mir, Stadtbibliotheken zu erhalten und jedem die Möglichkeit zu geben, diese zu nutzen. Bücher sind wichtig, jedes Buch ist in meinen Augen eine Welt , denn man bekommt mit jedem Buch, das sorgfältig und ernsthaft geschrieben wurde, eine Welt geschenkt.

Wie sind Sie zum ersten Buch gekommen, bez. wann haben Sie zu Schreiben begonnen ?
Geschrieben habe ich eigentlich schon immer. Ich habe Tagebuch geschrieben und kleine Geschichten. Das Schreiben war mir immer ganz nah. Ich war überhaupt kein glückliches Kind, ausgestattet mit einem Stiefvater, der ein Nazi war und der auch nach dem Krieg familiäre Nazistrukturen, die es ja gegeben hat, verwirklichen wollte. Ich suchte einen Ausweg, und so habe ich mich mit Schreiben immer zurückgezogen.

Wo schreiben Sie am liebsten?

Ich schreibe am liebsten zu Hause unterm Dach. Hier bin ich ungestört. Da schreibe ich das meiste. Im Zug oder unterwegs am Laptop zu schreiben lehne ich ab. Doch ich habe immer ein Moleskin Notizbuch dabei, um Unerwartetes festzuhalten. In diesem Notizbuch schreibe ich mit Hand. Da kommt dann auch was zusammen. Die Erzählungen „Streusand“ sind so entstanden. Alle von Hand in diesem schönen Moleskin geschrieben.

Im Ihrem Buch „Sei froh,dass Du lebst!“ las Agnes das Buch von Ernst Wiechert „Die Majorin“. Sie fand die Geschichte schrecklich, das war für Agnes eine Motivation, sich nach anderer Lektüre umzusehen. Bei Agnes bekommt der Leser wenig mit, ob sie Interesse an Büchern hat. Frau Scheib, erinnern Sie sich noch an eines der ersten Bücher, die für Sie aufregend waren?
Unbedingt, mühelos, das waren die von Manfred Hausmann. Manfred Hausmann ist der erste Autor, den ich bewusst gelesen und verehrt habe. Ich liebte seine Kindergeschichten. Dann alle seine anderen Bücher, die Kurzgeschichten, Novellen und Reisebeschreibungen.

Nach Ernst Wiechert kam der Lyriker Günter Eich mit seinem aufrüttelnden Radio-Aufruf „Tut das Unnütze“, aus seinem Gedicht: „Wacht auf – denn Eure Träume sind schlecht“, und forderte auf, wachsam zu bleiben. Das hat Sie wohl bewegt. Wie sind Sie wachsam geblieben?
Also das Motiv dafür kann ich nicht benennen, aber ich weiß genau, dass ich mich immer schon für die Schwächeren eingesetzt und interessiert habe, schon als Kind im Schulhof und anderswo. Ich glaube, ich hatte immer schon einen hochentwickelten Gerechtigkeitssinn. Damals schon, als ich noch Journalistin war, habe ich immer soziale Themen gesucht.

In Ihren biographischen Romanen über Frauenleben haben Sie in die Seelen von Menschen geguckt, und ihre Leben beschreiben Sie offen und einfühlsam. Sie machen uns Lesern deren Zeit verständlich. Sie haben u.a. über Lena Christ, Katharina von Bora, Therese Rheinfelder, Ottilie von Faber-Castell geschrieben. Was hat Sie an diesen Menschen fasziniert? Liegen Ihnen Frauenschicksale nah?
Das waren alles Frauen, die von der Gesellschaft schlecht behandelt wurden. Nicht weil sie einen schwachen Charakter hatten, sondern ihrer Stellung wegen. Wie bei Katharina von Bora. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie in einem der Lutherjahre sehr viele Bücher über Martin Luther verlegt wurden. In einem sehr dicken Buch, 680 Seiten, „Luther, sein Leben und seine Zeit“, waren nur 12 Seiten zu Luthers Frau Katharina von Bora. Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein. Ich wollte nachforschen, und siehe da, es gab nichts. Das hat mich so empört, dass ich mich auf den Weg machte, um zu recherchieren. Ich habe alles aufgesucht, damals Ostberlin, Wittenberg, Torgau, Eisleben, und ich habe Menschen gefunden, die noch Dinge wussten. Daraus hat sich ein Puzzle ergeben. In Wittenberg, im Melanchthon-Haus, das ist heute ein Museum, war ich so mutig, an eine Privat-Tür zu klopfen. Da saß ein alter Herr, natürlich guckte dieser erstaunt, und als er mein Anliegen hörte, war der alte Herr sehr erfreut, dass ich über Katharina von Bora arbeite. Er hat mir sehr viel gezeigt, wo früher der Fluss durch Wittenberg lief, da wo die Frauen gewaschen haben, ihre Gärten, er wusste sehr viel über das damalige Leben. Tja, so ist das Buch über Katharina von Bora entstanden.

Eines Ihrer Bücher heißt„Der Austernmann“. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen? Verbinden Sie in diesem Roman mit der Geschichte von Frau Lili Osthaus persönliches?
Ja durchaus, ich muss schon von einer Geschichte sehr berührt werden, bevor ich anfange zu schreiben. Es war in Tat so, dass ich jemandem begegnet bin, der so in sich verstrickt war - so wie der „Austernmann“.

Der Großvater in „Sei froh, dass Du lebst!“ erklärt, warum ihn Kultur glücklich macht, und beschreibt Bücher so: Ein Buch kann dir eine vorher völlig fremde Welt entfalten, du spazierst herum, Seite für Seite, du lebst, du spürst den starken Atem einer Stadt und bist darin wie zu Hause. Wie sind die Erinnerungen von Asta Scheib an ihren Großvater?
Schöne, sehr schöne. Er war der Einzige, der Zeit für mich hatte. Die Literatur gab ihm eine Chance, seine eigenen Schicksale aus dem Krieg 1914/18 zu verarbeiten. Literatur war für ihn wichtig, und diese Lesekultur gab er weiter. Dieser liebe Großvater war für mich und meine beiden Geschwister ein Vaterersatz.

In dem Roman „Sei froh, dass Du lebst!“ war die inspirierende Kraft für Theater und Kultur die Großmutter, Oma Auguste. Eine kluge und hinreißende Frau. Frau.Scheib, hatten Sie auch großmütterliche Unterstützung?
Die Mutter meines Stiefvater war gut, großherzig und weltoffen. Alles spießige und festgefahrene Denkstrukturen waren ihr ein Greul. Sie war für meine Kindheit und Jugend großartig, und sie war mutig und hat immer zu uns Mädchen gehalten. Ohne sie wäre unser Leben viel freudloser gewesen.

Sie hatten schon in den 70er Jahren Begegnung mit Werner Herzog, und in ihrem Buch „Jeder Mensch ist ein Kunstwerk-Begegnungen“ lese ich ein souveränes und liebevolles Porträt über Werner Herzog, das mir den exzentrischen Filmemacher ganz anders nahe bringt, als die damalige Presse und die damaligen Kneipengespräche meiner Erinnerung. Macht es sie glücklich zu lesen, dass Werner Herzog 2013 den Ehrenpreis des Deutschen Films bekommen hat?
Ich freue mich für ihn, natürlich. Werner Herzog habe ich durch Rainer Werner Fassbinder und meinen Freund Hans C. Blumenberg kennen gelernt. Blumenberg hatte eine Geschichte von mir gelesen und gab diese Fassbinder, der sie dann auch verfilmte, „Angst vor Angst“. So kam auch Herzog dazu. Werner Herzog ist ein stiller und ganz nobler Mensch.

Frau Scheib, Sie haben das Bundesverdienstkreuz für Verdienste um die deutsche Sprache und den Bayerischen Verdienstorden bekommen für Ihr Engagement, sich für die deutsche Sprache einzusetzen. Da ist es zum Literaturpreis nicht mehr weit.

Wir von Bücher & mehr e.V. glauben, dass das gedruckte Wort nicht zu stoppen ist, und wir danken Ihnen, Frau Scheib, sehr für das anregende Gespräch.

©Steffi M.Black 2013(Text)
©Roland Neumann 2003(Bild)- Asta Scheib & Anounschka Doinet